„Ich kann das nicht. Eigentlich kann ich gar nichts.“ Die meisten Menschen haben Momente, in denen sie so oder ähnlich über sich denken. Solange es nur Momente sind, in denen solche Selbstzweifel den Glauben an die eigenen Fähigkeiten lahmlegen, gibt es wenig Grund zur Sorge. Problematisch wird es, wenn destruktive Selbstzweifel dauerhaft das Denken bestimmen und dafür sorgen, dass wir uns gar nichts mehr zutrauen. Was sind Auslöser von Selbstzweifeln? Wer ist von ihnen betroffen? Und wie können sie besiegt werden? Wir versuchen uns an Antworten auf diese und weitere Fragen.

Im Zweifel für das Selbstbewusstsein

Prüfungsangst vor dem mündlichen Abitur, Lampenfieber vor der Präsentation, Bammel vor der Führerscheinprüfung – vor Ausnahmesituationen haben die meisten Menschen leichte bis starke Angstgefühle. Sie fürchten einen Blackout. Sie haben Zweifel, ob die ausführliche Vorbereitung wirklich reicht. Oder sie sind besorgt, dass im entscheidenden Moment etwas Unvorhergesehenes passiert, das sie völlig aus der Bahn wirft und bloßstellt. In solchen Fällen hilft es häufig, die eigene Fantasie rational zu beruhigen: „Warum sollte meine Hose, die immer gut sitzt, ausgerechnet während meines großen Auftritts herunterrutschen?“ Genau, das ist mehr als unwahrscheinlich. Die große Panik lässt sich meist ausräumen, aber eine gewisse Grundanspannung bleibt trotzdem bestehen, bis die beängstigende Situation vorbei ist.

Selbstzweifel überwinden

Und wenn nicht? Was ist, wenn diese Angst, diese Anspannung, diese Zweifel an den eigenen Fähigkeiten nicht nur in Ausnahmesituationen auftreten, sondern zum Grundrauschen der eigenen Gefühlswelt gehören? Wenn das eigene Selbstbewusstsein so geschwächt ist, dass man sich gar nichts (mehr) zutraut? Menschen, die von starken Selbstzweifeln gequält werden, sind häufig unfähig, zu handeln. Glaubenssätze wie „Das klappt doch sowieso nicht“ oder „Mich mag doch eh niemand“ oder „Ich kann einfach gar nichts“ halten sie davon ab, überhaupt etwas anzufangen. Das ist die Krux an der Sache: Wer sich durch Nicht-Handeln vor Misserfolgen schützen will, nimmt sich gleichzeitig die Chance, Erfolge zu erleben – und damit die Möglichkeit, falsche Annahmen über die eigene Unfähigkeit zu korrigieren.

Wie entstehen Selbstzweifel?

Nach Kündigung Selbstbewusstsein erhalten Menschen, die ohnehin ein eher schwaches Selbstbewusstsein haben, können durch einschneidende Ereignisse schnell in den Strudel der Selbstzweifel gezogen werden. Eine unerwartete Kündigung ist zum Beispiel so ein Moment. Dabei ist es egal, ob die Kündigung betriebsbedingt ausgesprochen wurde, weil das Unternehmen in einer finanziellen Krise steckt. Die Kündigung wird persönlich genommen. „Viele Klient:innen kommen ins Job-Coaching und berichten, dass sie den Verlust ihres Arbeitsplatzes als sehr große Kränkung, als Demütigung, als Krise erleben“, sagt Renée Seehof, Karriere-Coach am INQUA-Institut. „Sie haben gleichzeitig mit der Kündigung auch ihr Selbstbewusstsein verloren. Sie haben ihr Bild davon verloren, was sie können und was sie in der Lage sind zu leisten.“

In der Gruppe der Selbstzweifler:innen finden wir aber auch Menschen mit extrem hohen Erwartungen. Sie haben perfektionistische Ansprüche an sich und ihre Arbeit und verurteilen sich damit quasi selbst zum Scheitern. „Die alten Seefahrer haben auf ihren Wegen immer den Polarstern angepeilt“, schreibt Raphael M. Bonelli in seinem Buch ‚Perfektionismus. Wenn das Soll zum Muss wird‘. „Von keinem wurde berichtet, dass er ihn erreicht hätte, aber wahrscheinlich hat das auch keiner erwartet.“ Anders als die alten Seefahrer sehen Perfektionist:innen die Vollkommenheit nicht als Orientierungspunkt, sondern als realistisches Ziel, das grundsätzlich erreicht werden könnte. Sie streben tatsächlich den Polarstern an. Gleichzeitig wissen sie, dass er für sie unerreichbar ist. Die hohen Erwartungen an sich selbst können sie niemals erfüllen. Aber anstatt das selbst gesetzte Ziel in Zweifel zu ziehen, zweifeln sie an sich selbst, an ihren Fähigkeiten.

Was tun gegen akute Selbstzweifel?

Ein großer Kunde springt ab, es gibt einen Rüffel von der Chefin und ein wichtiger Präsentationstermin ist nicht gut vorbereitet, weil Sie in einem anderen Projekt aushelfen mussten – Situationen, in denen mehrere stressige Ereignisse gleichzeitig bearbeitet werden müssen, können starke Selbstzweifel auslösen. Die verzweifelte Frage „Wie soll ich das alles schaffen?!“ wird in solchen Momenten mehr als Vorwurf denn als wirkliche Frage an sich selbst gerichtet und impliziert damit schon die Antwort: „Das kann ich nicht schaffen.“ Ehe man es sich versieht, steckt man im Sumpf der Selbstzweifel fest. Dabei ist die Frage nach dem Wie an sich sehr gut – wenn sie in der richtigen Betonung und mit ehrlichem Interesse an einer Antwort gestellt wird. Denn in einem Moment akuter Selbstzweifel kann ein realistischer und konstruktiver Blick auf die aktuelle Situation helfen.

Wie ist das alles zu schaffen? In welcher Reihenfolge sollten die einzelnen Themen angegangen werden? An welcher Stelle brauche ich Hilfe? Welches Thema kann ich delegieren? Solche Fragen lenken den Fokus von Ihrer vermeintlichen eigenen Unfähigkeit auf eine mögliche Lösung. Gleichzeitig machen Sie auf diese Weise aus einem großen Problemberg mehrere kleinere Hügel, die nicht mehr auf einmal, sondern nacheinander angegangen werden können. Vielleicht kommen Sie nach Beantwortung der Fragen auch zu dem Schluss, dass all das wirklich nicht zu schaffen ist. Dann wissen Sie aber, dass es nicht an Ihnen und fehlenden Fähigkeiten liegt, sondern an der Aufgabe und den gesetzten Rahmenbedingungen. Damit haben Sie eine Argumentationsgrundlage, mit der sie selbstbewusst Ihrer:m Vorgesetzten gegenübertreten und um Unterstützung bitten können.

5 Tipps um akute Selbstzweifel zu überwinden

  1. Ziehen Sie Ihre Zweifel in Zweifel! Fragen Sie sich, ob Ihre Annahmen über sich selbst wirklich stimmen – und seien Sie dabei ehrlich. Fragen wie „Habe ich wirklich noch nie etwas zu Ende gemacht?“ oder „Kann mich wirklich niemand leiden?“ können im Grunde nicht mit einem ehrlichen Ja beantwortet werden.
  2. Stellen Sie sich lösungsorientierte Fragen – mit ehrlichem Interesse an der Antwort! Wie kann die aktuelle Situation aufgelöst werden? Gibt es eine Möglichkeit, ein großes Problem in mehrere kleine Probleme zu segmentieren? Sind tatsächlich alle Themen gleich wichtig? Oder gibt es eine Möglichkeit, einige Themen herunterzupriorisieren?
  3. Führen Sie eine Liste mit Ihren Erfolgen! Wann immer Ihnen etwas gelungen ist, wann immer Sie gelobt wurden oder selbst stolz auf etwas blicken, das Sie erreicht haben: Schreiben Sie es auf! Und freuen Sie sich daran, wie diese Liste im Laufe der Zeit immer länger und länger wird.
  4. Überzeugen Sie Ihren innere:n Kritiker:in – mit Fakten! Glaubenssätze wie „Ich kann überhaupt nichts“ sind mehr gefühlte Wahrheit denn Realität. Lesen Sie sich im Ernstfall Ihre Erfolgsliste vor. Das kann Ihnen dabei helfen, zu lernen, Gefühle und Fakten auseinanderzuhalten und Ihren inneren Kritiker besser zu nutzen.
  5. Holen Sie sich Hilfe! Wenn Sie dazu neigen, in stressigen Situationen den Glauben an sich und Ihre Fähigkeiten zu verlieren, brauchen Sie vielleicht etwas Zuspruch von außen. In so einem Fall kann ein Coaching eine gute Unterstützung leisten, um Ihre Selbstzweifel dauerhaft in Schach zu halten.

Was hilft vorbeugend gegen Selbstzweifel?

Gegen tiefe Selbstzweifel ist ein gesundes Selbstwertgefühl das beste Mittel. Darum ist die (Wieder-)Herstellung des Selbstbewusstseins der Coachees ein wichtiger Baustein im Coaching von Renée Seehof. „Meine Klient:innen berichten mir immer wieder, dass sie sich im Coaching gesehen und wertgeschätzt fühlen – und sich dadurch auch selbst ganz anders wahrnehmen als vor dem Coaching“, sagt sie. „Das heißt, sie haben den Zugang zu ihren eigenen Fähigkeiten, Kompetenzen und Möglichkeiten gefunden.“ Coachees lernen im Coaching, nicht länger ihre (vermeintlichen) Defizite, sondern ihre Stärken, Ressourcen und Fähigkeiten in den Fokus zu rücken. Das gibt ihnen zum einen den Mut, sich in Vorstellungsgesprächen selbstbewusst zu präsentieren. Zum anderen sind sie mit Gegenargumenten gewappnet, die sie bei der nächsten Selbstzweifel-Attacke anwenden können.

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Auch den Perfektionist:innen tut ein gesundes Selbstbewusstsein gut – im wörtlichen Sinne. Sie sollten sich selbst bewusst machen, was sie wirklich leisten können. Das hilft ihnen dabei, sich realistische Ziele zu setzen und sich damit gleichzeitig zu erlauben, auch einmal Erfolge einzufahren. Anstatt „Ich habe einen Pulitzerpreis-verdächtigen Bestseller geschrieben“ könnte ein angepasstes Ziel lauten: „Ich habe ein Sachbuch über mein Herzensthema veröffentlicht.“ Das veröffentlichte Sachbuch kann dann immer noch ein Bestseller werden und Preise gewinnen. Dieser Part sollte aber nicht gleich eingeplant, sondern als Zusatzerfolg gefeiert werden. Allerdings ist das leichter gesagt als getan. Etablierte Glaubenssätze und perfektionistische Ansprüche halten sich hartnäckig und lassen sich auch mit den besten Argumenten nicht einfach auflösen.

Warum ein INQUA Karriere-Coaching?

Wer aus den Selbstzweifeln allein nicht herauskommt, sollte sich Unterstützung holen. Ein professionelles Coaching bietet Klient:innen die Chance, einen realistischen Blick auf sich selbst zu bekommen. Die biografische Arbeit mit dem Kompetenzprofil High Profiling® sowie der Ressourcenorientierten Genogrammarbeit am INQUA-Institut ist eine gute Möglichkeit, die eigenen Ressourcen zu entdecken. „Durch die Biografiearbeit gewinnen Coachees ganz neue Einsichten über das, was sie für das Arbeitsleben interessant macht“, so Renée Seehof. „Es geht nicht darum zu sehen, wie weit die Klient:innen sich auf Standards hinbewegen müssen, sondern umgekehrt darum zu sehen, inwieweit Klient:innen sich im Sinne einer Personalentwicklung mit ihren Kompetenzen diesem Standard stellen können.“

Benötigen Sie eine persönliche Beratung?

Gerne beantworten wir Ihnen alle Ihre Fragen rund um die Förderung des INQUA Karriere-Coachings durch AVGS.

Das AVGS-Coaching-Programm von INQUA begleitet Menschen über einen Zeitraum von acht Wochen. In dieser Zeit finden wöchentlich Coaching-Sitzungen statt, die mit Prozessarbeitsblättern und Aufgaben begleitet werden. Ziel ist es, Klient:innen bei der beruflichen Neuorientierung zu unterstützen und sie Schritt für Schritt ihrem Traumjob näherzubringen. Während der Arbeitssuche werden die Kosten des AVGS-Coachings durch einen Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein zu 100 % von der Agentur für Arbeit beziehungsweise dem Jobcenter übernommen. Das Karriere-Coaching richtet sich speziell an Akademiker:innen sowie Fach- und Führungskräfte.

Weitere Links zum Thema:

Buchtipp: Perfektionismus. Wenn das Soll zum Muss wird.

COACHGEFLÜSTER mit Doris Bohlen: Der innerer Kritiker: So hilft er Ihnen

COACHGEFLÜSTER mit Stefan Pinter: Storytelling im Bewerbungsgespräch – Tipps vom Impro-Profi

Blogbeitrag zum Kompetenzprofil High Profiling®

Über den Autor:

Johannes Gramß

Johannes Gramß ist Diplom-Psychologe und Geschäftsführer des INQUA-Instituts. Sein Schwerpunkt liegt in der Konzeptentwicklung für Digitales Coaching mit ansprechenden, wirkungsvollen Lernarchitekturen. Er beschäftigt sich zudem mit dem Nutzen von persönlichen Ressourcen und dem Bearbeiten innerer Barrieren bei der beruflichen Neuorientierung sowie dem psychologisch geschickten Umgang bei digitalen Auswahlprozessen für Bewerbende.

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