Stellen Sie sich vor, Sie sind mitten in einem Bewerbungsgespräch, es ist die erste Runde. Sie haben sich gut vorbereitet, finden Ihre potenzielle neue Chefin und den Personaler sehr sympathisch, das Unternehmen und die beschriebene Stelle entsprechen Ihren Vorstellungen. Kurz: Sie können sich eine Zusammenarbeit vorstellen. Die obligatorischen Fragen nach Ihren Stärken, Schwächen und Karriereplänen haben Sie souverän gemeistert, insgesamt haben Sie ein gutes Gefühl. Und dann kommt das: „Wie sieht es denn mit Ihrer Familienplanung aus? Steht da demnächst eine Schwangerschaft an?“ Oder das: „Uns würde interessieren, welcher Partei Sie angehören.“ Oder auch: „Hier steht, Sie sind in Deutschland geboren. Aber Ihre Eltern sind ursprünglich nicht von hier, oder?“

Unzulässige Fragen und ihre Ausnahmen

Es gibt zulässige und unzulässige Fragen im Vorstellungsgespräch. Fragen, die Ihre Person oder Ihre Familie betreffen und inhaltlich nichts mit der zu besetzenden Stelle zu tun haben, sind unzulässig. Sie dürfen Ihnen nicht gestellt werden. Das ist in Deutschland im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz geregelt. Dieses Gesetz trägt dazu bei, Diskriminierung zu verhindern. In der Realität haben es Bewerber:innen aber häufig mit Personalverantwortlichen zu tun, die versuchen, die Grenzen dieses Gesetzes zu verschieben. Sie stellen solch übergriffige Fragen trotzdem. Über die Gründe kann man nur spekulieren. Geht es darum, die Kandidat:innen herauszufordern und ihre Reaktion zu testen? Oder darum, persönliche Neugier zu befriedigen? Vielleicht versuchen sie auch einfach ihr Glück und hoffen darauf, dass sich ihr Gegenüber mit der Rechtslage nicht gut auskennt und höflich antwortet.

Zulässige Fragen

Arbeitgeber:innen haben ein berechtigtes Interesse daran, möglichst viele Informationen über potenzielle neue Mitarbeiter:innen zu sammeln. Darum steht ihnen das sogenannte Fragerecht zu. Uneingeschränkt zulässig sind Fragen zu den folgenden Themen:

  • Wohnort
  • (Schul-)Ausbildung
  • beruflicher Werdegang
  • fachliche Qualifikation
  • zeitliche Flexibilität
  • Fremdsprachenkenntnisse
  • Wettbewerbsverbote

Unzulässige Fragen

Das berechtigte Interesse von Arbeitgeber:innen endet, wenn es um die Privatsphäre der Bewerber:innen geht. Nach bestimmten Informationen dürfen Personaler:innen nicht fragen. Unzulässig sind Fragen zu folgenden Themen:

  • Religions-, Gewerkschafts- oder Parteizugehörigkeit
  • bestehende (oder geplante) Schwangerschaft
  • Höhe des bisherigen Gehalts
  • bestehende (Schwer-)Behinderung
  • Vermögensverhältnisse
  • Vorstrafen
  • bevorstehende Eheschließung

Für Sie als Bewerber:in gilt, dass Sie auf solche Fragen nur in Ausnahmefällen antworten müssen – nämlich dann, wenn sie tätigkeitsbezogen gestellt werden. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn Sie sich bei einer Partei, einem Presseunternehmen oder einer Gewerkschaft bewerben. Diese Betriebe gehören zu den sogenannten Tendenzunternehmen, die nicht in erster Linie ökonomische Interessen verfolgen, sondern zum Beispiel politische, künstlerische, pädagogische oder wissenschaftliche Ziele haben. Solche Unternehmen haben ein berechtigtes Interesse zum Beispiel an Ihren politischen Ansichten und erwarten von Ihnen eine wahrheitsgemäße Beantwortung von Fragen, die darauf abzielen. Sie verfügen über ein sogenanntes erweitertes Fragerecht, weil diese Informationen für den ideellen Zweck des Betriebs relevant sind.

Eine weitere Ausnahme bilden Kirchen und Ordensgemeinschaften. Sie haben aufgrund des kirchlichen Arbeitsrechts ebenfalls ein erweitertes Fragerecht, das ihnen erlaubt, Fragen zum Beispiel zu Ihrer Religionszugehörigkeit zu stellen. Fragen nach Ihrem Gesundheitszustand oder etwaigen Allergien sind zulässig, wenn Sie sich etwa in einem lebensmittelverarbeitenden Betrieb oder einem Labor bewerben.

Vorstrafen, Gehalt und Schwerbehinderung

Wenn Sie sich etwa um eine Stelle in einer Bank bewerben, sind auch Fragen nach Vorstrafen, laufenden Ermittlungsverfahren oder Ihrer finanziellen Situation zulässig. Allerdings gilt auch hier: Die Information muss einen konkreten Bezug zur angestrebten Stelle haben. Ein allgemeines Fragerecht gibt es in diesem Fall nicht. Das heißt: Wer sich um eine Stelle im Finanzbereich bewirbt, darf nach vermögensrechtlichen Vorstrafen gefragt werden, aber nicht nach politischen oder verkehrsrechtlichen. Personaler:innen müssen ihre Frage im Vorstellungsgespräch also sehr präzise formulieren. Wird sie pauschal gestellt, bleibt sie unzulässig.

Die Frage nach dem letzten Gehalt taucht ebenfalls ab und zu in Vorstellungsgesprächen auf. Hierbei handelt es sich um eine Grauzone. Wenn Sie selbst dieses Thema zur Sprache bringen, darf Ihr Gegenüber nachhaken – und Sie sollten ehrlich antworten. Kommt im Nachhinein heraus, dass Sie an dieser Stelle gelogen haben, kann Ihr:e neue:r Arbeitgeber:in den zustande gekommenen Vertrag anfechten oder das Arbeitsverhältnis kündigen. Die Frage nach Ihrem aktuellen Gehalt ist auch dann zulässig, wenn Sie eine variable Vergütung erhalten. In diesem Fall lässt Ihr Gehalt Rückschlüsse auf Ihre Arbeitsleistung zu – und dann ist die Frage zulässig.

Die Frage nach einer vorliegenden Schwerbehinderung stellt – pauschal formuliert – eine unmittelbare Diskriminierung dar und ist damit im Vorstellungsgespräch unzulässig. Aber auch in diesem Fall gibt es Ausnahmen. Wird ganz gezielt gefragt, ob ein Handicap vorliegt, das den:die Bewerber:in bei der Ausübung der ausgeschriebenen Tätigkeit beeinträchtigen könnte, besteht für potenzielle Kandidat:innen sogar eine Offenbarungspflicht. Das heißt: In diesem Fall sind Sie zu einer ehrlichen Antwort verpflichtet.

Mögliche Reaktionen auf unzulässige Fragen

1. Gegenfrage

Stellen Sie eine Rückfrage, anstatt zu antworten. Zum Beispiel: „Inwiefern hat das etwas mit der Aufgabe zu tun?“ oder „Was würden Sie an meiner Stelle auf diese Frage antworten?“  Oder Sie gehen direkt auf den Punkt zu: „Wissen Sie, dass diese Frage unzulässig ist?“  Somit unterstellen Sie erst einmal, dass Ihr Gegenüber vielleicht einfach nicht weiß, dass hier gerade eine Grenzüberschreitung stattfindet. So zeigen Sie weiterhin Offenheit und geben Ihrer:Ihrem Gesprächspartner:in die Gelegenheit, das Gesicht zu wahren (und vielleicht etwas dazuzulernen).

2. Verweigern

Sie können die Antwort verweigern: „Ich möchte diese Frage nicht beantworten.“ Optional weisen Sie den:die Fragesteller:in darauf hin, warum Sie nicht antworten möchten. Zum Beispiel: „Diese Frage hat mit der Aufgabe aus meiner Sicht nichts zu tun.“ Oder: „Diese Frage ist unzulässig.“

3. Ehrlich antworten

Sie können die Frage einfach wahrheitsgemäß beantworten und die Tatsache ignorieren, dass sie grundsätzlich unzulässig ist. Hierfür ist die Grundlage, dass Sie Ihre persönlichen Grenzen klar definiert und präsent haben. Sie entscheiden selbst, welche Einblicke Sie geben möchten und welche nicht.

4. Lügen

Theoretisch haben Sie das Recht, bei unzulässigen Fragen zu lügen. Von dieser Option ist in der Praxis jedoch abzuraten. Bitte machen Sie sich bewusst, dass Sie viel zu bieten haben und nicht als Bittsteller:in im Vorstellungsgespräch sitzen. Wollen Sie sich und Ihre Werte wirklich für ein Unternehmen verbiegen, das Ihnen unzulässige Fragen stellt? Wählen Sie lieber aus Option 1–3.

Was hier so einfach klingt, kann in der Realität allerdings schwierig werden. Denn wenn ein bis dahin positives Vorstellungsgespräch durch eine unzulässige Frage (welcher Art auch immer) plötzlich kippt, passiert das nicht nur auf der sachlichen, sondern auch auf der emotionalen Ebene. Auch ohne unzulässige Fragen ist ein Vorstellungsgespräch eine aufregende Sache, in der viele Menschen angespannt oder nervös sind. Da kann es durchaus passieren, dass man erst im Nachhinein merkt: „Moment mal, durften die mich das überhaupt fragen?“ Es ist viel verlangt, den Moment zu erkennen und dann souverän Option eins, zwei oder drei auszuwählen, dabei professionell zu bleiben und freundlich zu lächeln. Wie so oft kann auch hier eine gute Vorbereitung die Lösung sein.

Die eigenen Grenzen abstecken

Grenzen setzen bei unzulässigen Fragen im Vorstellungsgespräch
Überlegen Sie im Vorfeld, bei welchen Fragen Sie Ihre persönliche Grenze setzen.

Stellen Sie sich eine Art Landkarte vor und grenzen Sie das Gebiet ein, das ein:e potenzielle:r Arbeitgeber:in betreten darf. Zeichnen Sie klare No-go-Areas ein, zum Beispiel: „Ich beantworte keine Fragen zum Thema psychische Gesundheit.“ Markieren Sie Grauzonen, in denen Sie bereit sind, Kompromisse zu machen. Wäre zum Beispiel eine Frage zum Beruf Ihrer Partnerin oder Ihres Partners für Sie in Ordnung? Überprüfen Sie im Vorstellungsgespräch jede Frage dahingehend, ob sie sich innerhalb Ihrer Grenzen bewegt. Dafür dürfen Sie sich ruhig Zeit nehmen. Lassen Sie eine Frage erst einmal sacken und Ihre Filter durchlaufen, bevor Sie antworten.

Wenn Sie spüren: „Diese Frage ist mir unangenehm, die möchte ich gar nicht beantworten“ – dann vertrauen Sie Ihrem Gefühl. Es ist egal, ob die Frage auf einer Liste unzulässiger Fragen auftaucht oder nicht. Wenn sie ein ungutes Gefühl in Ihnen auslöst, dann ist offenbar eine Ihrer Grenzen überschritten worden. In diesem Fall atmen Sie einmal tief durch und überprüfen Sie, welches Gefühl gerade in Ihnen ausgelöst wird. Sind Sie überrascht? Verunsichert? Oder sogar wütend? Das ist in Ordnung. Wenn Sie sich erst einmal Zeit verschaffen wollen, fragen Sie zurück: „Was hat diese Frage mit meiner Eignung für die ausgeschriebene Stelle zu tun?“ Vielleicht genügt das schon, um Ihrem Gegenüber die Grenzüberschreitung bewusst zu machen, und der Rest des Gesprächs läuft bis auf den einen Ausrutscher wieder gut.

Eine Frage zu viel: Persönliche Rückschlüsse ziehen

Konsequenzen unzulässiger Fragen
Überlegen Sie sich, was Sie tun werden, wenn Ihr Gegenüber pausenlos Ihre Grenzen überschreitet. Möchten Sie in solch einer Umgebung arbeiten?

Beim Abstecken der Grenzgebiete Ihrer inneren Landkarte sollten Sie sich auch schon Gedanken darüber machen, welche Konsequenzen ein eventueller Grenzübertritt haben könnte. Vielleicht sind Sie bereit, eine einzelne unzulässige Frage als Ausrutscher gelten zu lassen und nicht weiter zu beachten. Was aber werden Sie tun, wenn Ihr Gegenüber pausenlos Ihre Grenzen überschreitet? In so einem Fall sollten Sie abwägen: Wie wichtig ist mir die ausgeschriebene Stelle? Bin ich bereit, mich in Zukunft regelmäßig so einem Verhalten auszusetzen? Denn davon können Sie ausgehen: Wer sich schon in einem ersten Kennenlerngespräch übergriffig verhält, wird dieses Verhalten auch im Alltag ganz selbstverständlich an den Tag legen. Möchten Sie in so einer Umgebung arbeiten?

Auch als Bewerber:in haben Sie die Möglichkeit, ein Gespräch vorzeitig zu beenden. Sie müssen nicht die angesetzte Stunde durchhalten, Sie können sich auch höflich vorzeitig verabschieden. Wenn Ihnen die Grenzüberschreitungen zu heftig werden oder Sie immer deutlicher spüren, dass sich aus diesem Gespräch sicher keine Zusammenarbeit entwickeln wird, können Sie den Termin beenden. Sagen Sie ruhig, warum Sie das Gespräch nicht weiterführen möchten: „Vielen Dank für die Einladung und für das Gespräch bis hierher. Ich habe aufgrund Ihrer Fragen den Eindruck gewonnen, dass wir nicht zusammenpassen. Darum möchte ich unser Gespräch an dieser Stelle gern beenden.“ So ein Schritt kostet Mut. Schauen Sie, was für Sie in der akuten Situation besser passt: das Gespräch mit der Faust in der Tasche bis zum Ende durchhalten – oder einen eindeutigen Schlusspunkt setzen.

Wie immer gilt auch für den Umgang mit unangemessenen Fragen: Holen Sie sich Unterstützung. Üben Sie schwierige Situationen mit Freund:innen, indem Sie eine Gesprächssituation simulieren. Legen Sie sich einen Schlusssatz zurecht und sagen Sie ihn sich immer wieder vor, bis er Ihnen ganz selbstverständlich über die Lippen geht. Natürlich kann zur Vorbereitung auf solche Konfliktsituationen auch ein professionelles Karriere-Coaching eine gute Unterstützung bieten. Unsere systemisch ausgebildeten INQUA Karriere-Coaches mit langjähriger Berufserfahrung üben mit Ihnen gern das Vorstellungsgespräch. So gehen Sie souverän und neugierig auf die Fragen Ihres Gegenübers ein. Mit einem AVGS-Gutschein ist unser Angebot für Sie sogar kostenlos.

Über den Autor:

Johannes Junker I Head of Coaching bei INQUA

Johannes Junker ist systemischer Coach, kreativer Prozessbegleiter und Head of Communications am INQUA-Institut. Als Host des INQUA Karriere-Coaching-Podcasts COACHGEFLÜSTER spricht er regelmäßig mit Expert:innen zu Themen rund um die berufliche Neuorientierung und gibt Tipps für Vorstellungsgespräche, Bewerbung und die persönliche Weiterentwicklung.

Weiterführende Links:

Vorbereitung aufs Vorstellungsgespräch: 10 Tipps, um entspannt zu bleiben

Souverän zum neuen Job: 10 Tipps für Ihr Bewerbungsgespräch

Podcast COACHGEFLÜSTER: Klassische und knifflige Fragen im Vorstellungsgespräch

Podcast COACHGEFLÜSTER: Authentisch im Vorstellungsgespräch

Podcast COACHGEFLÜSTER: Storytelling im Bewerbungsgespräch – Tipps vom Impro-Profi

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