Sie haben eine Einladung zu einem Assessment-Center erhalten? Herzlichen Glückwunsch! Ganz offenbar konnten Sie das Unternehmen, bei dem Sie sich beworben haben, von Ihren fachlichen Qualifikationen überzeugen. Im Assessment-Center (AC), insbesondere im Gruppen-AC, will das Unternehmen nun herausfinden, welche:r Kandidat:in am besten für die ausgeschriebene Position geeignet ist. Dazu werden insbesondere Ihre sozialen und methodischen Fähigkeiten und Ihre Führungskompetenzen unter die Lupe genommen. Ein weiteres Augenmerk liegt auf Ihrer Motivation und Ihrer Passung zum Unternehmen – dem so genannten Cultural Fit.

Die Konzeption, Planung, Durchführung und Auswertung eines Assessment-Centers ist ein aufwändiger und kostspieliger Prozess. Darum wird das Verfahren vor allem bei der Besetzung von Stellen mit hohen Anforderungen an die soziale Kompetenz der Kandidat:innen eingesetzt. Gerade im Verkauf oder in der Führung macht die richtige Besetzung einen wesentlichen Unterschied für den Erfolg des Unternehmens. Wenn Sie mehr darüber erfahren möchten, wie Assessment-Center entwickelt werden und welche Bedeutung sie für Unternehmen haben, sollten Sie sich unbedingt die Folge des Podcast COACHGEFLÜSTER zu diesem Thema anhören.

BE PREPARED Notiz auf Post-it

Wenn sich bei Ihnen nun – neben der Freude über die Einladung – ein Gefühl von Nervosität einstellt, ist das absolut verständlich. Vielleicht haben Sie die Befürchtung, Ihre Fähigkeiten nicht optimal präsentieren zu können. Oder Sie finden die Vorstellung unangenehm, unter Beobachtung zu stehen, während Sie Aufgaben lösen. Das ist nachvollziehbar – und lösbar. Wie so oft ist eine gute Vorbereitung der Schlüssel zum Erfolg. Wir haben Assessment-Center Übungen für Sie zusammengestellt, die Sie innerhalb von sieben Tagen fit für Ihren Termin machen.

Tag 1: Analyse der Stellenausschreibung

Beginnen Sie mit einer sorgfältigen Analyse der Stellenbeschreibung. Lesen Sie sich den Text durch und überlegen Sie sich, welche Anforderungen eine Person erfüllen muss, die diese Stelle besetzt. Vielleicht hilft es Ihnen, sich dazu einen konkreten Arbeitstag in der ausgeschriebenen Position vorzustellen. Außerdem können Ihnen Leitfragen helfen wie:

  • Welche kritischen Situationen sind in dieser Stelle zu bewältigen?
  • Welche Frustrationen muss ich eventuell aushalten?
  • In welchen Rollen muss ich agieren?
  • Welche Aufgaben sollten mir sehr leicht von der Hand gehen – weil sie zum Tagesgeschäft gehören und regelmäßig anfallen werden?

Wenn Sie die Antworten notiert haben, gehen Sie einen Schritt zurück und leiten Sie aus Ihren Überlegungen ab, welche Kompetenzen für diese Stelle besonders relevant sind. Dabei können Ihnen die Ressourcen des Kompetenzprofils High Profiling® des INQUA-Instituts oder der Kompetenzatlas von Erpenbeck eine gute Unterstützung sein. Stellen Sie sich im nächsten Schritt vor, auf welche Weise Sie im Assessment-Center am besten zeigen können, dass Sie die erforderlichen Kompetenzen besitzen. Im AC werden zur Sichtbarmachung von Kompetenzen bestimmte Standardformate eingesetzt. Mit diesen Formaten beschäftigen wir uns am Tag zwei Ihrer Vorbereitung.

Tag 2: Assessment-Center Übungen durchspielen

Am zweiten Tag Ihrer Vorbereitung geht es darum, die Präsentation Ihrer Kompetenzen zu üben. Dazu stellen Sie sich selbst Assessment-Center Übungen zusammen. Im AC gibt es zur Sichtbarmachung von Kompetenzen die folgenden Standardformate:

  • Rollenspiel
  • Gruppendiskussion
  • Präsentation, Befragung
  • Case Studies
  • Psychologische Tests

Überlegen Sie für jedes dieser Formate, welche Ihrer Kompetenzen Sie auf welche Weise sichtbar machen können. Nehmen wir zur Anschauung das Format Rollenspiel. Wenn eine Ihrer Kompetenzen zum Beispiel Ihre Problemlösungsfähigkeit ist, überlegen Sie: Wie können Sie diese Kompetenz in einem Mitarbeitergespräch, einem Konfliktgespräch oder einem Verkaufsgespräch sichtbar machen?

Im Format Gruppendiskussion werden in einem AC gerne Themen zur Diskussion gestellt, die für das Unternehmen aktuell Relevanz haben. Für Ihre Vorbereitung ist es sinnvoll, die letzten Pressemeldungen des Unternehmens zu durchforsten oder Diskussionen des Unternehmens in den sozialen Medien anzuschauen, um Annahmen darüber treffen zu können, welche Themen das Unternehmen gerade bewegen. Leiten Sie daraus mögliche Diskussionsthemen und -fragen ab und bereiten Sie Ihre Diskussionsbeiträge dazu vor – immer mit dem Fokus, durch Ihren Beitrag bestimmte Kompetenzen sichtbar zu machen. Nutzen Sie auch KI-Tools wie ChatGPT, um Aufgaben zu entwickeln. So gehen Sie dann alle Formate durch und entwickeln jeweils passende Übungen. Am Ende von Tag zwei sollten Sie eine Vorstellung davon haben, welche Übungen auf Sie zukommen können.

Assessment-Center Gruppenübung

Tag 3: Die Perspektive der Beobachter:innen

Stellen Sie sich einmal darauf ein, dass während des AC mehrere Beobachter:innen im Raum sein werden, die sich die ganze Zeit über Notizen auf ihren Bögen machen. Als Kandidat:in besteht Ihre Aufgabe darin, die Bögen der Beobachter:innen zu „füttern“ – und zwar mit Ihrem Verhalten. Je genauer Sie sich vorstellen können, welche Dimensionen für die Beobachtenden relevant sind, desto besser können Sie Ihr Verhalten darauf ausrichten. Je nach ausgeschriebener Stelle sind gängige Dimensionen zum Beispiel:

  • Führungsanspruch
  • Initiative
  • Umgang mit Emotionen (den eigenen und denen der anderen Kandidat:innen)
  • Stressresistenz
  • Kreativität
  • Konfliktbewältigung

Die Kunst im Assessment-Center besteht darin, möglichst viele dieser Dimensionen zu bespielen. Um sich optimal darauf vorzubereiten, gehen Sie jetzt die Übungen durch, die Sie an Tag zwei entwickelt haben. Überlegen Sie sich, welche Dimensionen in welcher Übung relevant sind – und mit welchem Verhalten Sie diese Dimensionen bespielen können. Denken Sie auch darüber nach, was Ihnen aufgrund Ihrer Persönlichkeit leichtfällt und bei welchen Dimensionen es für Sie schwieriger werden könnte. Ziel ist es, dass Sie am Ende von Tag drei auf eine Art Verhaltensrepertoire passend zu den Übungen zugreifen können, um möglichst viele Facetten von sich zeigen zu können.

Tag 4: Unternehmenskultur verstehen

Im Assessment-Center geht es darum, die:den am besten passenden Kandidat:in auszuwählen. Darum ist es wichtig, dass Sie möglichst viel über die Kultur des Unternehmens herausfinden – denn so können Sie Ihr Verhalten darauf ausrichten. Fragen Sie sich: Welche Werte vertritt das Unternehmen – nach außen und nach innen? Haben Sie es mit klassisch hierarchischen oder agilen Strukturen zu tun? Ist das Unternehmen eher konservativ oder innovativ? Steht gerade ein Kulturwandel an – und wenn ja: In welche Richtung soll es gehen? Tipps zur Analyse einer Karriereseite hinsichtlich der Kultur eines Unternehmens bekommen Sie in unserer Podcast-Folge mit Mia Welteroth.

Ihre Aufgabe an Tag vier besteht vor allem darin, sich positiv auf die Kultur des Unternehmens einzustimmen. Suchen Sie nach Gemeinsamkeiten zwischen Ihren Ansprüchen an die Werte eines Arbeitgebers und dem, was das Unternehmen an Werten vertritt. Überlegen Sie sich, was alles dafürspricht, bei diesem Unternehmen und in dieser Kultur zu arbeiten. Lassen Sie keine Zweifel zu – es geht darum, Ihr Verhalten im Assessment-Center so anzupassen, dass es der gelebten Kultur entspricht, damit Sie die Stelle bekommen. Ob Sie den Vertrag am Ende wirklich unterschreiben, entscheiden Sie dann, wenn es so weit ist.

Tag 5: Üben, üben, üben

Jetzt ist es an der Zeit, richtig aktiv zu werden. Spannen Sie Ihre Freund:innen für Kurzpräsentationen, Gruppendiskussionen oder Rollenspiele ein und üben Sie. In Assessment-Centern geht es weniger um trainiertes Verhalten, das abgefragt wird. Bei einer Präsentation beispielsweise geht es mehr darum, wie Sie als Persönlichkeit wirken, wie Sie mit dem Publikum in Kontakt treten und wie Sie Ihre Gedanken strukturieren. Sollten zum Beispiel Ihre Präsentations-Skills nicht so hoch entwickelt sein, ist es für Ihr zukünftiges Unternehmen ein Leichtes, sie zu einem Training zu schicken. Wichtiger als ausgefeilte Fähigkeiten sind Ihre Potenziale.

Bereiten Sie sich auf kritische Mitarbeitendengespräche, Konfliktgespräch oder Verkaufsgespräche vor. Bitten Sie eine Freundin oder einen Freund, diese Gespräche mit Ihnen zu führen, und nehmen Sie sich dabei auf Video auf. Im Assessment-Center wird Ihnen für so ein Gespräch ein Zeitraum vorgegeben, in dem Sie sich bewegen müssen – meist ist das ein Rahmen von weniger als zehn Minuten. Setzen Sie einen Timer und nehmen Sie sich vor, alle Gesprächsphasen im vorgegebenen Zeitraum zu durchlaufen. Die Praxis ist der Schlüssel zum Erfolg. Durch das wiederholte Durchspielen der Szenarien gewinnen Sie Sicherheit in Ihrem Auftreten und in Ihren Antworten.

Ideen generieren im Team

Tag 6: Reflexion und Feinabstimmung

An Tag sechs geht es um eine selbstkritische Bewertung Ihrer Übungsleistungen. Setzen Sie sich dazu die Brille der Beobachter:innen auf und schauen Sie Ihre Videoaufzeichnungen vom Vortag an. Dazu können Sie die Dimensionen aus Tag drei zur Hand nehmen und sich die folgenden Fragen beantworten: Zeigen Sie das gewünschte Verhalten für die Dimensionen? Stimmen Ihre Selbst- und Außenwahrnehmung überein? An welcher Stelle können Sie sich noch verbessern? Worauf müssen Sie ganz besonders achten? Variieren Sie Ihr Verhalten so lange, bis Sie den Eindruck haben, dass es sowohl zur Unternehmenskultur als auch zu Ihrer Persönlichkeit passt.

Tag 7: Entspannung und mentale Vorbereitung

Der letzte Tag vor dem Assessment-Center sollte der Entspannung und mentalen Vorbereitung gewidmet sein. Vermeiden Sie es, nach neuen Informationen zu suchen oder sich zusätzlichem Stress auszusetzen. Konzentrieren Sie sich stattdessen auf Ihre positive Grundhaltung und stellen Sie sich geistig auf den bevorstehenden Tag ein. Hier können Ihnen zum Beispiel entspannende Aktivitäten dabei helfen, gelassen und fokussiert zu bleiben. Lassen Sie sich die vorbereiteten Antworten und Szenarien noch einmal durch den Kopf gehen und bereiten Sie auch Smalltalk-Themen vor, die Sie im Gespräch mit den Kandidat:innen und den Beobachter:innen aufgreifen können.

Entspannung und mentale Vorbereitung

Der Tag des Assessment-Centers

Ihr großer Tag ist da. Gehen Sie das Assessment-Center mit einer klaren Vorstellung von Ihrer Strategie und Ihren Zielen an. Fragen Sie nach, wenn Ihnen eine Übung unklar ist oder Sie zum Beispiel nicht wissen, vor wem Sie die Kurzpräsentation halten oder welche Rolle Sie einnehmen sollen. Versuchen Sie, alle im Blick zu behalten, nehmen Sie Augenkontakt auf. Klinken Sie sich nicht aus Gesprächen aus, wenn ein:e andere:r Kandidat:in die Ellenbogen ausfährt und sich aufspielt, sondern denken Sie auch in so einer Situation daran, dass Sie die Bewertungsbögen der Beobachter:innen mit Ihrem Verhalten füttern wollen. Nutzen Sie also jede Gelegenheit, um Ihre Eignung für die Position zu demonstrieren.

Ein Assessment-Center ist per se eine kompetitive Veranstaltung, denn Sie stehen mit den anderen Teilnehmenden in Konkurrenz um dieselbe Stelle. Es ist wichtig, dass Sie in diesem Umfeld flexibel reagieren und verschiedene Rollen situativ einnehmen – vor allem, wenn eine oder zwei Personen sich besonders dominant verhalten. Gehen Sie immer davon aus, dass Sie in einem AC in so eine Situation kommen – und dass so ein Verhalten nicht durchgehend positiv bewertet werden wird. Ihre Rolle kann dann darin bestehen, auf die Metaebene zu gehen und zum Beispiel dafür zu sorgen, dass die Stimmen der anderen Kandidat:innen gehört werden.

Mit dieser umfassenden Vorbereitung sind Sie bestens gerüstet, um im Assessment-Center zu glänzen und die Beobachter:innen von Ihrer Eignung für die Position zu überzeugen. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg!

Über den Autor:

Johannes Gramß

Johannes Gramß ist Diplom-Psychologe und Geschäftsführer des INQUA-Instituts. Sein Schwerpunkt liegt in der Konzeptentwicklung für Digitales Coaching mit ansprechenden, wirkungsvollen Lernarchitekturen. Er beschäftigt sich zudem mit dem Nutzen von persönlichen Ressourcen und dem Bearbeiten innerer Barrieren bei der beruflichen Neuorientierung sowie dem psychologisch geschickten Umgang bei digitalen Auswahlprozessen für Bewerbende.

Weitere Links zum Thema: 

Blogbeitrag:

Ihre persönlichen Ressourcen erkennen und stärken – Der Ressourcenbaum als Coaching-Methode

Podcast-Folgen COACHGEFLÜSTER:

Assessment-Center-Vorbereitung: Tipps vom AC-Entwickler

Fit für die Gehaltsverhandlung im Vorstellungsgespräch (mit Rollenspiel)

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