Wir definieren einen erheblichen Teil unseres Selbstwerts anhand unserer Arbeit. Arbeit gilt als gesellschaftlicher Beitrag und ist insoweit für viele Menschen identitätsstiftend. Entsprechend kann mittel- bis langfristige Arbeitslosigkeit schwer am eigenen Selbstverständnis rütteln. Das erahnt man bereits am Begriff der „Arbeitslosigkeit“. Lieblos, glücklos …. arbeitslos. Etwas fehlt. Small Talk á la: „Und? Was macht du beruflich?“, wird plötzlich zu einem peinlichen Geheimnis. Zwar hat das Stigma um Arbeitslosigkeit in der jüngeren Vergangenheit etwas nachgelassen, doch immer noch empfinden viele Menschen diesen Zustand als Krise. Das kann besonders dann problematisch werden, wenn aus einer solchen Haltung ein emotionaler Automatismus wird. Dieser kann nicht nur alltägliche Begegnungen und Gespräche überschatten, sondern auch emotionale Barrieren auftun, die den Wiedereinstieg in die Arbeitswelt eher erschweren als erleichtern. Dabei ist Folgendes so wichtig: Der Weg raus aus der Arbeitslosigkeit fängt im Kopf an.

Angst vor Arbeitslosigkeit – von der Dringlichkeit zum Fatalismus

Raus aus der Arbeitslosigkeit

Angst und Selbstzweifel sind launische Ratgeber. Zweifel an unseren Fähigkeiten sind normal und in gewissem Maße auch nichts Dramatisches. Im Gegenzug wäre es eher alarmierend, wenn jemand grundsätzlich nie an sich selbst zweifelt – auch wenn uns dieser Stereotyp medienübergreifend immer noch häufig begegnet (der unerschütterliche Held, der immer alles im Griff hat). Wenn wir unsere Selbstzweifel jedoch konstruktiv nutzen können, um sie als Hinweis zur Entwicklung zu sehen, besteht keine Schwierigkeit. „Hinterfragen, ohne zu verdammen!“ lautet die gesunde Devise.

Problematisch wird es hingegen, wenn diese Gedanken zur dominanten Kraft in unserem Denken werden und sukzessive unser Selbstwertgefühl bestimmen. Dann kann es destruktiv und hemmend werden. Auf die Balance kommt es also an, doch wie gelingt diese?

Typische Selbstzweifel bei ausgedehnter Arbeitslosigkeit

Wer längerfristig aus dem Arbeitsleben ausscheidet, hadert oftmals damit, einen Weg raus aus der Arbeitslosigkeit zu finden. Mentale Barrieren, gesellschaftliches Stigma sowie Zweifel an den eigenen Fähigkeiten können das Selbstvertrauen untergraben.

  • Bin ich gut genug?
  • Wer will mich schon?
  • Sind nicht Andere besser für diese oder jene Stelle geeignet?

Solche Gedankenbilder und negative Selbsteinschätzungen erschweren den Weg aus der Arbeitslosigkeit ungemein. Und was sie so perfide macht: Sie wirken intuitiv oft berechtigt, bringen uns aber dennoch nicht weiter.

Das kann durch ein simples Gedankenexperiment verdeutlicht werden.

Stellen Sie sich eine Person vor, die in ihrer Selbsteinschätzung kein gutes Haar an sich lässt. Sie sieht sich als inkompetent, unsympathisch und unzuverlässig. Was hätte diese Person davon, wenn sie mit diesen Einschätzungen richtig läge? Gar nichts! Denn solch unnachgiebig destruktive Selbsteinschätzung führt direkt in die Motivationssackgasse. Wer nichts hat, hat nichts zu verlieren – aber auch nichts mehr zu gewinnen. Damit Arbeitslosigkeit nicht zum mentalen Hemmschuh wird, muss konkret an der inneren Kommunikation angesetzt werden. Doch wie gelingt das?

5 Tipps, um raus aus der Arbeitslosigkeit zu kommen

1. Den inneren Monolog moderieren

Sich selbst überlassen, nehmen unsere natürlichen (und insoweit auch berechtigten) Selbstzweifel gerne ein gefährliches Eigenleben an. Wenn Sie spüren, dass solche Gedanken aufkommen, können Sie mit den folgenden Fragen Ihre Gedanken ordnen:

  • Stimmt, was ich über mich denke?
  • Wie geht es mir damit?
  • Helfen mir diese Gedanken weiter oder schaden sie mir?
  • Wie kann ich stattdessen über mich denken?

Diese Fragestellungen aus dem Ansatz von „The Work of Byron Katie“ sind deshalb so hilfreich, weil sie neutral und ergebnisoffen formuliert sind. Im alltäglichen Gedankenstrudel schleichen sich schnell negative Glaubenssätze in Form von suggestiven Fragen durch die Hintertür ein, wie: „Warum stelle ich mich nur so an?“, „Was stimmt mit mir nicht?“ etc. Sprich: Fragen, die bereits eine negative Wertung enthalten.

2. Auf eigene Stärken und Fähigkeiten besinnen

rothaarige Frau schaut durch ein Fernrohr aus PapierAnstatt von sich selbst als ein Sammelbecken an Defiziten zu denken, sollten Sie sich – insbesondere in herausfordernden Zeiten – Ihre Fähigkeiten und Qualitäten verdeutlichen. Auch hier bieten neutrale und ergebnisoffene Fragestellungen eine wertvolle Orientierung:

  • Welche Stärken und Fähigkeiten habe ich?
  • Was für positive Eigenschaften habe ich?
  • Was schätzen meine Mitmenschen an mir? Im Zweifel – gerne nachfragen!
  • Worauf bin ich stolz? Was ist mir in der Vergangenheit gut gelungen?
  • Wofür bin ich dankbar?

Diese Fragen richten den Fokus auf das Gelingende und Gute in unserem Leben. Wir alle haben unterschiedliche Qualitäten und Kompetenzen. Niemand kann alles oder muss alles können. Gönnen Sie sich eine Pause vom ständigen Vergleichen mit anderen und verdeutlichen Sie sich bisherige Erfolge in Ihrem Leben. Diese müssen keineswegs große Meilensteine oder nur beruflicher Natur sein. Eine Reise, die Ihren Horizont erweitert hat, eine nährende Freundschaft, eine liebevolle Beziehung, ein Hobby, dem Sie mit Freude nachgehen, ein leckeres Gericht, das Sie selbst zubereitet haben – auch dies sind Erfolge in Ihrem Leben.

3. Scheitern nicht als Schande, sondern als Chance begreifen

Erfolg besteht darin, von Misserfolg zu Misserfolg zu gehen, ohne den Enthusiasmus zu verlieren.“ Winston Churchill

Scheitern gehört zu jedem Lernprozess. Erfolg – egal auf welcher Ebene – fällt niemals einfach so vom Himmel, ohne dass eine Serie von Fehlschlägen, Irrtümern und Fehlversuchen vorausgeht. Jedoch sind es die Erfolgsgeschichten oder die großen Dramen, die uns im Alltag immer wieder begegnen. Diese narrative Grundstruktur haben wir so stark verinnerlicht, dass wir dazu neigen, uns in diesem scheinbar binären System aus Erfolg und Scheitern selbst einzuordnen. Dabei ist zu scheitern ein integraler Bestandteil der meisten Lernprozesse.

4. Routinen im Alltag etablieren und aufrechterhalten

Wenn die Arbeitsroutine wegfällt, ist unsere Alltagsstruktur erschüttert. Jetzt ist es besonders wichtig, nährende und gesunde Routinen zu etablieren. Nehmen Sie sich hierfür genug Zeit und hören Sie in sich hinein, was Sie brauchen. Hier ein paar bewährte Anregungen:

  • Klare Arbeitszeiten: Einen Job zu finden ist ein eigener Job! Nehmen Sie sich dafür gezielt Zeit, machen Sie nach getaner Arbeit Feierabend und belohnen Sie sich.
  • Regelmäßige Bewegung und Sport – kein übertriebener Perfektions-Anspruch. Es geht ums Wohlbefinden. Dazu hilft auch gesunde, ausgewogene Ernährung.
  • Freunde treffen! Soziale Anbindung ist jetzt wichtig, um sich nicht mit den eigenen Gedanken zu isolieren. Bitte beachten: Umgeben Sie sich mit positiv zugewandten Menschen, mit denen Sie auch möglichst vorbehaltlos (und nicht nur oberflächlich) kommunizieren können.
  • Über Sorgen und Selbstzweifel sprechen (mit einem Coach oder mit einem positiv zugewandten Menschen).
  • Etwas neues Lernen: Ein Hobby etablieren, das Freude bringt.

5. Erwägen Sie ein Jobcoaching!

Wie kann ein Karriere-Coaching in einer solchen Situation helfen? Zunächst einmal hilft es, die ganze Konstellation neu zu kontextualisieren – und zwar von einer sachlichen sowie unbefangenen Perspektive aus. Ein seriöser Coach wird kein Fazit zu Ihnen oder Ihrer Situation formulieren, sondern Ihnen unvoreingenommen und ressourcenorientiert begegnen. Im Coaching nehmen wir neue Blickwinkel ein und schaffen ein Bewusstsein für Ihre ganz persönlichen Kompetenzen. Dies gilt in der Reflexionsphase genauso wie später im Prozess, wenn es eher um das Konkrete geht (Bewerbungen schreiben, sich im Vorstellungsgespräch präsentieren, etc.).

Angst vor neuem Job? Tipps für den Wiedereinstieg ins Arbeitsleben!

Zeit für einen neuen JobAls ob es nicht schon quälend genug wäre, dass längerfristige Arbeitslosigkeit am Selbstwertgefühl zehren kann, kann auch das „rettende Ufer“ uns zum Hadern und Zaudern veranlassen. Kaum kommt die Einladung zum Vorstellungsgespräch oder gar eine Jobzusage – und auf einmal melden sich Selbstzweifel erneut.

  • Ist das jetzt der richtige Job? Oder bin ich von Verzweiflung getrieben?
  • Sollte ich den Job annehmen trotz Zweifel?
  • Was, wenn ich mich nach so langer Arbeitslosigkeit nicht mehr einfinde oder gar blamiere?
  • Habe ich das Arbeiten nach so langer Zeit verlernt?

Diesen und damit einhergehenden Aspekten wollen wir uns zu guter Letzt noch einmal genauer widmen und beleuchten, wie Sie Angst vor dem neuen Job überwinden können.

Ist das überhaupt der richtige Job für mich?

Es steht nirgendwo in Stein gemeißelt, dass Sie einen neuen Job bis ans Ende aller Tage machen müssen. Dies ist in unserer modernen Arbeitswelt, die von Arbeitgebern und Arbeitnehmern maximale Flexibilität und stetige Entwicklung fordert, eher die Ausnahme geworden. Natürlich ist es gerade nach längerer Arbeitslosigkeit wichtig, die eigene Motivation zu prüfen und nicht vor lauter Aktionismus „irgendeinen“ Job zu ergreifen. Auf der anderen Seite kann aber auch ein Quereinstieg völlig neue Möglichkeiten und Perspektiven eröffnen, auf die man sonst nie gestoßen wäre.

Bin ich überhaupt geeignet für diesen Job?

Sehen Sie es mal so: Wenn Sie eine Zusage bekommen, dann hat der künftige Arbeitgeber selbst Sie schon als geeignet erachtet. Und wenn der Ihnen eine Chance geben will, warum dann nicht Sie sich selbst?

Wie soll ich mich da nur einfinden?

Besonders erfahrene Fachkräfte finden es oft unangenehm, wenn man sich an einer Arbeitsstelle neu orientieren muss und Fragen über Fragen hat. Na und? So würde es allen an Ihrer Stelle gehen. Jede Organisation ist anders und hat ihre eigenen Abläufe. Offene Kommunikation und Nachfragen ist da nicht nur normal, sondern wünschenswert und sogar notwendig. Niemand erwartet, dass Sie von Tag 1 an den vollen Durchblick haben. Auch dies ist ein Punkt, in dem wir uns unberechtigterweise selbst gegenüber weniger nachsichtig sind, als es unser Umfeld ist.

Offene Kommunikation

Gerade wenn sie irgendwo neu sind, neigen viele Menschen dazu, sich schnell auszeichnen zu wollen. Sie wähnen sich unter besonderer Beobachtung. Folglich wird besonders eifrig und hart gearbeitet. Während Einsatzwille und Bereitschaft zu signalisieren sicherlich wünschenswert ist, kann solche Betriebsamkeit aber auch über Dinge hinwegtäuschen. Wer den Kopf ständig nur in Arbeit steckt, kann sich solcherart beispielsweise von den Kolleg:innen isolieren oder besonders spröde erscheinen, obwohl das gar nicht beabsichtigt ist. Nehmen Sie sich stattdessen Zeit, Ihren Arbeitsplatz wirklich kennenzulernen. Dazu gehören auch und insbesondere die Mitarbeiter:innen.

Über den Autor:

Johannes Junker I Head of Coaching bei INQUA

Johannes Junker ist systemischer Coach, kreativer Prozessbegleiter und Head of Communications am INQUA-Institut. Als Host des INQUA Karriere-Coaching-Podcasts COACHGEFLÜSTER spricht er regelmäßig mit Expert:innen zu Themen rund um die berufliche Neuorientierung und gibt Tipps für Vorstellungsgespräche, Bewerbung und die persönliche Weiterentwicklung.

Mehr zum Thema: 

Scheitern als Chance – 5 Tipps zum Umgang mit Fehlschlägen

Mit starkem Mindset ins Vorstellungsgespräch

Podcast COACHGEFLÜSTER: Der Innere Kritiker – So hilft Ihnen Ihr Begleiter

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